Berlin/Nürnberg. Wie gelingt es, schwerkranke Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg zurück ins Leben bestmöglich zu begleiten? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Online-Podiumsdiskussion, zu der die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) e.V. anlässlich des heutigen Tages der Intensivmedizin eine Vielzahl namhafter Expertinnen und Experten eingeladen hatte. Die Podiumsdiskussion war Teil der DGAI-Kampagne „Zurück ins Leben“, mit der der Tag der Intensivmedizin, der jährlich am 18. Juni stattfindet, begleitet wird und die auch online auf dem YouTube-Kanal der DGAI abrufbar ist.
Unter dem Titel „Möglichkeiten und Grenzen der Intensivmedizin – Diskurs zur Zukunft der Patientenversorgung“ diskutierten die Vertreterinnen und Vertreter aus Medizin, Pflege, Ethik, Politik und Gesellschaft über die Rolle der Intensivmedizin in der modernen Gesundheitsversorgung. Im Zentrum der Debatte: Was kann Intensivmedizin heute leisten – und wo liegen ihre ethischen, praktischen und gesellschaftlichen Grenzen?
Eindrucksvoll schilderte Schauspieler Christian Kahrmann, vielen Deutschen bekannt von seiner Rolle als Benni Beimer in der Kult-Serie „Lindenstraße“, seine ganz persönliche Erfahrung. Er war im Frühjahr 2021 schwer an COVID-19 erkrankt, lag 17 Tage im künstlichen Koma und verbrachte mehrere Wochen auf der Intensivstation. Heute sagt er: „Ich habe der Intensivmedizin und den Entscheidungen der Ärzte in meiner bislang kritischsten Lebensphase mein heutiges Leben zu verdanken. Wenn man sich vor Augen führt, was damals unter diesen extremen, noch nie dagewesenen Umständen geleistet wurde und wie mir dadurch der Weg zurück ins Leben geschenkt werden konnte, kann man nur den Hut ziehen. Ich empfinde tiefe Demut und Dankbarkeit gegenüber dem gesamten Personal.“
Sein bewegendes Statement verdeutlichte, worum es bei Intensivmedizin letztlich geht: Menschenleben retten – auch unter extremen Bedingungen. Doch die Intensivstationen stehen zunehmend unter Druck. Fehlendes Personal, vor allem in der Pflege, ökonomische Zwänge, ethische Dilemmata und ein demografischer Wandel, der die Zahl hochbetagter Patientinnen und Patienten weiter steigen lässt, stellen das System vor große Herausforderungen. Es braucht deshalb weit mehr als moderne Technik und medizinisches Know-how. Teamarbeit, Empathie, Kommunikation, ethisches Urteilsvermögen und ausreichend Zeit für den einzelnen Menschen sind entscheidend – und angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in der Pflege keine Selbstverständlichkeit mehr.
„Unsere Botschaft ist klar: Die Intensivmedizin in Deutschland rettet tagtäglich Leben. Zugleich braucht sie den notwendigen Raum, ausreichend Zeit und finanzielle Sicherheit, um Differenzierung, Menschlichkeit und interdisziplinären Austausch gewährleisten zu können“, sagte DGAI-Präsident Prof. Dr. Gernot Marx. „Deshalb wollen wir den Dialog mit der Gesellschaft – sachlich, fundiert und auf Augenhöhe – führen, um ein besseres Verständnis für die vielfältigen Herausforderungen der Intensivmedizin zu schaffen, Ängste und Vorurteile abzubauen und realistische Erwartungen zu wecken.“
Die Podiumsdiskussion war Teil der DGAI-Kampagne „Zurück ins Leben“, mit der der Tag der Intensivmedizin, der jährlich am 18. Juni stattfindet, begleitet wird. Ziel ist es, die öffentliche Wahrnehmung der Intensivmedizin zu stärken, über ihre Möglichkeiten aufzuklären und die hochqualifizierte Arbeit auf deutschen Intensivstationen sichtbar zu machen.
Denn auch jenseits akuter Krisen bleibt die Bedeutung der Intensivmedizin enorm: Jährlich werden rund zwei Millionen Menschen in Deutschland intensivmedizinisch behandelt, mehr als 90 Prozent überleben. Möglich wird das durch hochindividualisierte Therapien, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen – und durch das Engagement von Anästhesistinnen und Anästhesisten, die in vielen Kliniken einen Großteil der intensivmedizinischen Versorgung tragen.
„Die Intensivstation ist zwar ein Ort der hochtechnisierten Medizin – aber vor allem auch ein Ort der Hoffnung“, betonte Prof. Dr. Thorsten Brenner, Sprecher der Sektion Intensivmedizin und des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Intensivmedizin in der DGAI. „Hinter jeder Entscheidung steht ein multiprofessionelles Team, das Tag für Tag individuelle Wege findet, um schwerkranke Patientinnen und Patienten zurück ins Leben zu begleiten.“
Auch Prof. Dr. Patrick Meybohm, Schriftführer des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Intensivmedizin in der DGAI, unterstrich die Bedeutung des Zusammenspiels aller Beteiligten: „Intensivmedizin ist Höchstleistung im Team – rund um die Uhr. Unsere Aufgabe ist es, modernste Medizin und Menschlichkeit in Einklang miteinander zu bringen.“
Dabei eröffnen neue Entwicklungen – von Frühwarnsystemen über Telemedizin bis zum Einsatz künstlicher Intelligenz – zusätzliche Chancen. Doch die Diskussion zeigte: Es geht nicht um grenzenlosen Fortschritt, sondern um eine verantwortungsbewusste Nutzung medizinischer Möglichkeiten – im Dienst der Patientinnen und Patienten. „Dazu gehört auch, Behandlungen nicht um jeden Preis fortzuführen“, erklärte Prof. Dr. Hendrik Bracht, 2. Sprecher des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Intensivmedizin in der DGAI. Sollte das gemeinsam mit dem Patienten, der Patientin oder den Angehörigen festgelegte Therapieziel nicht mehr realistisch erreichbar sein, werde mit derselben hohen medizinischen und menschlichen Kompetenz ein Weg eingeschlagen, der eine Beendigung der Intensivtherapie in Würde ermöglicht.
Mit der Veranstaltung setzte die DGAI ein klares Zeichen: Für eine Intensivmedizin, die Leben rettet, aber auch zuhört. Die auf Technologie setzt, aber den Menschen nicht aus dem Blick verliert. Und die bereit ist, die Zukunft der Patientenversorgung gemeinsam mit der Gesellschaft zu gestalten.
Weitere Informationen:
Statements aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer pdf Pressemappe - Statements der Teilnehmer.pdf (240 KB)
Informationen zur Kampagne "Zurück ins Leben" sowie zum Tag der Intensivmedizin pdf Pressemappe - Information Zahlen Daten Fakten.pdf (199 KB)
Aufzeichnung der vollständigen Podiumsdiskussion
Für Rückfragen, weiterführende Informationen oder Interviewwünsche wenden Sie sich gerne an:
Jana Schneeberg
Pressesprecherin
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)
Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA)
Neuwieder Straße 9
90411 Nürnberg
Tel. 0911-933 78 33